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Erfahrungen mit der Haltung und Zucht des Kleinen Igeltanreks (Echinops telfairi)
von | Dirk N. Gerrits, Die Breite 31, D-48531 Nordhorn |
Tel: 05921 - 302191 |
Unterbringung
Die Tiere sind in Käfigen aus beschichtetem Sperrholz mit den Maßen 60x60x60 cm untergebracht. Sie haben eine Glasvorderseite und einen Boden aus rostfreiem Stahl, was sie leicht zu säubern macht. Lüftung ist durch eine 15x60 cm messende Öffnung aus Maschendraht (Weite 2 cm) an der Oberseite des Käfigs gegeben. Die Käfige enthalten einen großen Stein, einige Äste, zwei senkrecht angebrachte Maschendrahtstreifen zum Klettern und eine (Wegwerf-) Pappnistschachtel. Durch eine 60-Watt-Elsteinlampe wird ununterbrochene Wärme geliefert, sie erhitzt den Stein auf ca. 35°C. Der kälteste Teil des Käfigs hat ca. 20°C. Die Einstreu besteht aus staubfreien Holzspänen.
Verhalten
Die Tiere sind fast vollständig nachtaktiv. Tagsüber kommen sie gelegentlich heraus um sich unter der Lampe zu wärmen. Sie sind soziale Tiere und schlafen stets zusammen in einem Nistkasten. Adulte Männchen können gegeneinander sehr aggressiv sein, aber ein Männchen kann ohne Probleme zusammen mit mehr als einem Weibchen gehalten werden. Wenn man sie regelmäßig aus dem Käfig herausnimmt und sich mit ihnen beschäftigt, werden die meisten Tiere sehr zahm. Jungtiere versenken ihre Zähne in allem um es auf Essbarkeit hin zu überprüfen, aber ich bin noch nie von einem adulten Tier gebissen worden. Wenn sie gereizt, erschreckt oder stark gestört werden, stoßen die Tiere einen Zischlaut aus, wobei sie die Stacheln über ihren Kopf ziehen; gelegentlich rollen sie sich wie ein Igel zusammen.
Kleine Igeltanreks sind sehr gute Kletterer und wenn ihnen einige Äste oder Maschendraht zur Verfügung stehen, klettern sie sehr häufig. Auf jeden Fall ziehen sie Maschendraht den Ästen vor. Wenn sie in eine neue Umgebung gesetzt werden oder nachdem die Käfige und deren Inhalt gereinigt wurden, beginnen Tiere beider Geschlechter fast immer mit dem Verhalten des Duftmarkierens. Sie erzeugen Speichel auf dem Substrat, der dann mit den Vorderpfoten über den Kopf und die Flanken des Körpers geschmiert wird.
Futter
Die Tiere erhalten eine Grundnahrung aus Trocken- und Dosenfutter für Katzen (Hills Science Diet), Mäusen, Eintagsküken und gefrorenen Insekten. Zusätzlich bekommen sie eine Reihe lebender Insekten (die sie allem anderen vorziehen), wie z.B. Heimchen, Grillen, Heuschrecken, Mehlwürmer, Schwarzkäferlarven, Kellerasseln, Schaben, Käfer und Spinnen. Einige Leute haben die Erfahrung gemacht, dass Jungtiere, die anfangen feste Nahrung zu sich zu nehmen, gern Früchte wie Kiwi und Banane mögen. Junge Tiere nehmen auch Kanarienvogelfutter. Nur einige wenige meiner adulten Tiere fressen Früchte. Trächtige und säugende Weibchen bekommen Sonderinsekten und (einmal wöchentlich für trächtige und zweimal wöchentlich für säugende Weibchen) Nutrilonsoya (trockene Babynahrung) vermischt mit verdünnter Katzenmilch. Alles Futter wird regelmäßig mit Vitaminen bestäubt. Sauberes Wasser ist immer verfügbar, obwohl die Tiere nicht sehr oft trinken.
Besonderes Augenmerk sollte auf das Gewicht der Tiere gelegt werden, da sie sehr leicht sehr dick werden. Wenn die Tiere einmal zu schwer sind, werden sie sehr inaktiv und Fasten hat nur geringe Effekte.
Im September/Oktober ist es normal, wahrscheinlich sogar nötig, dass die Tiere an Gewicht zunehmen, damit sie genügend Fettreserven für die Überwinterungsperiode haben, während deren sie kaum fressen.
Geschlechtsunterschiede
Da Kleine Igeltanreks keine äußeren Geschlechtsteile, sondern eine Kloake besitzen, ist das Geschlecht der Tiere schwer zu bestimmen, insbesondere bei jungen Tieren. Männchen haben einen breiteren Kopf als Weibchen mit einer haarlosen, rötlichen, peri-orbitalen Verdickung rund um die Augenhöhle. Bei jungen Männchen ist diese Verdickung nur als haarloser Ring um das Auge sichtbar. Die Augenöffnung ist auch größer als bei Weibchen. Die meisten adulten Weibchen haben gut sichtbare Zitzen.
Überwinterung
In seinem heimischen Lebensraum auf Madagaskar "überwintert" der Kleine Igeltanrek während der trockenen Jahreszeit. In Europa tun sie dies ohne Probleme im Winter.
Im späten September bis frühen Oktober werden die Tiere spontan weniger aktiv und beginnen weniger zu fressen. Im frühen Dezember werden die Geschlechter getrennt und die Temperatur wird auf 18-20°C abgesenkt. Während dieser Zeit trinken die Tiere gelegentlich. Katzentrockenfutter ist immer vorhanden, aber die Tiere fressen selten. Im frühen Februar wird die Temperatur wieder auf "normal" erhöht. Die Tiere bleiben bis März getrennt. Die Trennung der Geschlechter während der Überwinterung ist wahrscheinlich ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Zucht.
Zucht
Im frühen März werden die Tiere verpaart, nachdem sie 3 Monate getrennt waren.
Die Männchen werden direkt erregt und produzieren eine weiße Augenabsonderung. Die Paarungen setzen sich gewöhnlich über mehrere Wochen mit viel Lärm fort.
Die Tragzeit beträgt ca. 65 Tage. Während der Schwangerschaft nehmen die Weibchen normalerweise zwischen 50 und 100 g zu. In einem Fall nahm ein trächtiges Weibchen 120 g auf ein Gewicht von 240 g zu. Nachdem sie einen Viererwurf zur Welt gebracht hatte, wog sie 200 g und hielt dieses Gewicht bis zur Überwinterung. Dies veranschaulicht, dass die Tiere sogar wenn sie trächtig sind oder Junge haben leicht zu dick werden können. Eine Woche vor der Geburt wird den Weibchen Stroh und Papiertaschentücher als Nistmaterial gegeben und das Männchen wird entfernt, sonst wird es ununterbrochen belästigt. In einem Fall war ein Männchen bei der Geburt anwesend und hat den Neugeborenen keinen Schaden zugefügt. Die Wurfgröße liegt zwischen 1 und 7.
Neugeborene sind relativ groß und wiegen zwischen 10 und 15 g. Nach 5-8 Tagen öffnen sich die Augen. Zwischen der zweiten und der dritten Woche beginnen die Jungen ihre Umwelt zu erforschen und zu fressen und nach 4 Wochen sind sie unabhängig (NB: Die Entwicklungsgeschwindigkeit variiert beträchtlich zwischen und innerhalb von Würfen). Weibchen und Junge bleiben bis zur Überwinterung zusammen. Die Geschlechtsreife wird mit 9 Monaten erreicht. Im Alter von 6 Jahren können die Tiere immer noch erfolgreich züchten.
Krankheiten
Meiner Erfahrung nach sind Tanreks empfindlich für Atemwegsinfektionen, wegen deren ich einige Tiere verloren habe. In einigen Fällen wurden die Tiere erfolgreich mit Antibiotika (Doxycycline) behandelt. In diesen Fällen waren sie in ziemlich guter Verfassung und fraßen noch. Ein weiteres Gesundheitsproblem sind Gebissprobleme und Kieferabszesse, die den Verlust von 4 Tieren verursachten. Die ersten Anzeichen waren, dass die Tiere aufhörten zu fressen ohne ihr Interesse am Futter zu verlieren. Sie berochen und beleckten das Futter oder bissen hinein und ließen wieder davon ab oder sie fraßen nur weiche Nahrung. Nach einigen Wochen zeigten die Tiere keinerlei Interesse am Futter mehr. Alle Tiere mit diesem Problem starben. Untersuchungen des Mundes zeigten entzündetes Zahnfleisch und verfaulte Zähne, die leicht herausgezogen werden konnten. Bei einem Tier reinigte ein Veterinär den Mund und entfernte lose Zähne, während das Tier unter Narkose war. Dies brachte keine Wirkung. Der Grund dieser Probleme ist mir unbekannt. Es könnte etwas mit einem Übermaß an weichem Futter oder einem Mangel an hartem Futter zu tun haben. Deswegen füttere ich regelmäßig trockenes Katzenfutter und harte Insekten wie Käfer, Heuschrecken und Kellerasseln.
Handaufzucht
Eines der Weibchen starb nach langen, schweren Wehen. Vier Junge wurden normal geboren, aber am nächsten Tag konnte ein fünftes, sehr großes Jungtier nicht geboren werden. Es wurde von Hand entfernt, aber das Weibchen starb einen Tag später und wir wurden mit 4 kleinen Tanreks alleingelassen.
Das Weibchen hatte die Jungen zwar gesäubert, aber es ist fraglich, ob sie während der ersten 2 Tage getrunken haben. Zu unserer Überraschung akzeptierten sie sofort Katzenmilch aus einer Spritze. Wir setzen die Fütterungen alle 2-3 Stunden mit warmer Milch (Milchersatz für Katzenjunge) fort. Diese Milch enthielt 7,5 % Eiweiß und 4,5 % Fett. Vom dritten Tag an wurde pulverisierte Milch benutzt. Zuerst wurde sie auf eine Konzentration mit 10 % Eiweiß und 7,5 % Fett verdünnt. Später, vom sechsten Tag an, auf eine Konzentration mit 15 % Eiweiß und 10 % Fett. Die Tiere bevorzugten die dicke Milch.
Ihnen wurde 3 Wochen lang Milch gegeben. Die Milchmenge, welche die Tiere tranken, schwankte enorm zwischen den Tieren und zwischen den Fütterungen. Zu Anfang war der Abstand zwischen der letzten und der ersten Fütterung eines Tages 6 Stunden, nach einer Woche 8 Stunden und nach 2 Wochen 10 Stunden. Nach der Fütterung wurden der Bauch und die Kloake mit einem Stück Papiertaschentuch massiert, worauf sie problemlos mit Kotabgabe reagierten. Die Tiere nahmen pro Tag etwa ein Gramm zu. Nach 2 Wochen beobachteten wir, wie die Tiere sich gegenseitig die Kloake leckten und den Kot und Urin fraßen. Ein Junges trank stets weniger als die anderen und blieb in der Entwicklung zurück. Überraschenderweise begann es als erstes Tier feste Nahrung zu fressen und holte schnell an Gewicht auf. Zwei der Jungen schienen Probleme zu haben die Milch zu verdauen oder zu koten, denn sie hatten enorm angeschwollene Unterleiber. Trotzdem erschienen sie nicht krank und tranken sehr gut. Nach 7 Tagen hatten alle 4 Tiere ihre Augen geöffnet. Nach 12 Tagen begannen sie das Duftmarkieren. Noch bevor sich ihre Augen geöffnet hatten, liefen die Tiere eifrig herum und erkundeten ihre Welt. Normalerweise kommen die Jungen nicht vor dem 12. Tage aus dem Nistkasten heraus. Alle 4 Jungtiere wurden erwachsen.